Das nächste Theater, dass wir Euch vorstellen möchten, ist ...
... das Freilichttheater Altusried! Viel Spaß beim Lesen.
Es muss ein Altusrieder Theater-Gen geben, das von Generation zu Generation vererbt wird, anders kann es gar nicht sein. Und es sind bereits einige 'Theatergenerationen', die die Altusrieder Freilichtbühne zu dem unverwechselbaren Zuschauermagneten für Theaterbegeisterte gemacht hat.
Obwohl zunächst in Wirtshaussälen gespielt wurde, war den Altusriedern schnell klar, dass sie für ihre gestalterischen Vorstellungen einfach mehr Platz brauchten. Es zog sie ins Freie. Um genau zu sein, wurde zum ersten Mal im Jahre 1879 das Stück des 'Bayerischen Hiasl' vor 9.000 Zuschauern auf der Josephshöhe im Freien aufgeführt. Damit wurde eine Tradition begründet, die bis heute sehr erfolgreich anhält. 1911 wurde dann die Altusrieder Freilichtbühne über ihre regionalen Grenzen bekannt. Beim Stück 'Andreas Hofer' beteiligten sich sage und schreibe 500 Gemeindemitglieder auf und hinter der Bühne. Insgesamt wurden in diesem Jahr 12.000 Gäste, diesmal auf der 'Höllwiesen' im Koppachtal gezählt, die zwar allesamt ohne Tribüne mit dem saftig grünen Hangboden als Sitzplatz vorlieb nehmen mussten, dafür aber auch nur ein bis drei Mark Eintritt zahlten.
Seit 1952 sind die Freilichtspiele im Areal am Riedbach. Mit dem Ausbau der Spielbühne und dem Bau einer festen Zuschauertribüne 1997 wurden neue Maßstäbe gesetzt und 1999 konnte die Freilichtbühne erstmals bespielt werden.
Seitdem schreibt das theaterverrückte Altusried mit seiner Bühne eine Erfolgsgeschichte nach der anderen.
Das Leitmotiv der Altusrieder Theateraufführungen ist jedoch geblieben: 'Freiheit und Kampf gegen Unterdrückung'. Und was mit dem 'Hiasl' im Jahre 1879 begann, wird im Jahre 2022 mit dem neuen Stück 'Schiller und der Bayerische Hiasl. Wir Räuber' zeitgemäß fortgeführt.
... Sebastian Heerwart
Wenn man sich so die Geschichte der Freilichtbühne Altusried anschaut, kommt - zumindest mir - unweigerlich der Vergleich mit einem kleinen gallischen Dorf, eine verschworene Gemeinschaft, die allen Unwägbarkeiten trotzt und sein Ding macht.
Am Anfang standen die Freilichtspiele Altusried. 1879 wurde von Altusrieder Laiendarstellern das Stück 'Der Bayerische Hiasl' aufgeführt. Ein Stück über Matthias
Klostermayr, Wilderer und Anführer einer Räuberbande, der von der ärmeren Bevölkerung verehrt wurde, weil er oft den Reichen nahm und an die Ärmeren verteilte.
In der Folge wurden immer wieder in Altusried Stücke über Volkshelden wie Andreas Hofer, Robin Hood, Wilhelm Tell oder Don Quijote aufgeführt. Worauf führen Sie den künstlerischen Hang zu Freiheitskämpfern zurück?
Leider wissen wir heute nicht mehr viel darüber, wie in den frühen Jahren die Stücke ausgewählt wurden. Mein Eindruck ist aber, dass die Voralpen- und Alpenregionen traditionell einen großen inneren Drang nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung haben und deswegen Figuren wie Wilhelm Tell oder Andreas Hofer, die den Kampf nach Freiheit symbolisieren, sehr viel Sympathie entgegenbringen.
Während das Allgäu heimlich selbst gerne einen eigenen Andreas Hofer gehabt hätte, sind die Tiroler früher in Scharen zu den Aufführungen nach Altusried gekommen. Das verbindet natürlich und hat viel zur Bedeutung der Allgäuer Freilichtbühne für die weiteren Regionen beigetragen. Vieles wirkt dann heute noch nach und beeinflusst uns bei der Wahl der Stoffe - auch wenn wir den 'Kampf um Freiheit' inzwischen etwas weiter fassen und nicht nur auf territoriale Freiheit, sondern auch mal auf innere Freiheit beziehen, wie beispielsweise beim Don Quijote. Aber den Aspekt des Kampfes um Freiheit suchen wir bei jedem Stoff und versuchen ihn im Stück herauszuarbeiten.
Ein wunderschön geschwungenes 3.165 qm großes Tribünendach aus Holz, darunter Platz für 2.500 Zuschauern. Die Spielbühne ist mit dem dazugehörigen Spielhang 4.500 qm groß. Man hat in großen Dimensionen gedacht. Woher nahm man diesen Optimismus?
Das Freilichtspiel findet seit 1952 dort statt, wo später 1999 die Tribüne errichtet wurde. Bis dahin wurden in den Jahren der Aufführungen mit viel Aufwand ein großes Zelt mit einfachen Holzbänken für die Zuschauer errichtet. Da erschien es eine logische Konsequenz, eine dauerhafte Spielstätte zu errichten, um dem Freilichtspiel ein zukunftsfähiges Zuhause zu bauen.
2.500 Plätze sind schon erst einmal eine beeindruckende Dimension, allerdings muss man dazu wissen, dass die Freilichtspiele auch in früheren Jahren schon so gut besucht waren, dass die temporäre Tribüne nicht ausreichend war und die Menschen mitunter auf der Wiese davor und nebenan gesessen haben. Da waren mehrere tausend Menschen zu Gast bei den Aufführungen.
Die großen Spiele alle drei Jahre werden heute von rund 60 Tsd. Zuschauern besucht. Da kommt man mit weniger Plätzen einfach nicht aus.
Sie haben auf der Altusrieder Freilichtbühne eine tolle Mischung aus Musicals, Konzerte von Gruppen und Künstlern aus verschiedenen Stilrichtungen (Volksmusik, Rock, Pop, Liedermacher etc.) und dazu regelmäßige Events wie das 'Altusrieder Sommermärchen' und die 'Altusrieder Freilichtspiele'. Konzept oder geht es nach dem Motto 'Alles was gefällt'?
So etwas ganz ohne Konzept zu tun, wäre doch ein wenig fahrlässig. Natürlich vertrauen wir zum Beispiel bei den Konzerten auf das gute Gespür unseres Partners Semmel Concerts. Sie kennen unsere Bühne und das regionale Publikum sehr genau und bringen eine gute Mischung zusammen.
Was wir als Allgäuer Freilichtbühne selber produzieren, unterliegt einem Drei-Jahres-Plan mit großem Freilichtspiel, Sommermärchen und Musical. Daran versuchen wir uns zu halten. Und das klappt auch ganz gut, wenn nicht gerade eine Pandemie alles über den Haufen wirft.
So ist dann für jeden etwas dabei. Ursprünglich steht hinter dem Konzept mit den verschiedenen Genres vor allem aber ein recht trivialer Grund: Unsere Mitwirkenden sind Laien, die überwiegend einem anderen Hauptberuf nachgehen. Da ist es notwendig, sie zwischendurch einmal zu entlasten, damit jeder auch mal einen Sommer lang Pause machen kann. Trotzdem gibt es die Verrückten, die jedes Jahr mit dabei sind.
Es erscheint überhaupt kein Problem zu sein, bei Eigenproduktionen 'Hundertschaften' von Unterstützern vor und hinter der Bühne aus Altusried zu finden. 1911 waren es bei 'Andres Hofer' rund 550 Altusrieder auf der Bühne, 2011 bei 'Die drei Musketiere' waren es immerhin noch 300 Mitwirkende. Woher kommt diese grenzenlose Theaterleidenschaft?
Bei Robin Hood 2016 waren es sogar 572! Nicht alle auf der Bühne, aber alle sind in verschiedenen Funktionen aktiv dabei. Wir reden da fast schon gar nicht mehr drüber, weil es für Altusried einfach normal ist. Das Freilichtspiel ist ein großes Stück Dorfkultur, ein Gesellschaftsprojekt. Und wer nicht mitspielt, nimmt einen ganzen Sommer nicht am wichtigsten sozialen Miteinander des Ortes teil. Und es stimmt auch, dass Altusried theaterverrückt ist. Aber wer kann das nicht verstehen, wenn sich hier mit der Freilichtbühne und dem Theaterkästle alles rund um das Thema dreht? Im 'Kästle' spielen sogar Vereine, die eigentlich mit Theater nichts am Hut haben, also auch beispielsweise Schützen-, Reit- und Sportvereine. Das Theater ist in Altusried überall präsent.
Robin Hood, Produktion 2016 (Probenfotos)
(Alle Fotos von 'Robin Hood' von Heike und Peter Ulbrich)
Bleiben wir bei den Musketieren. 300 Mitwirkende, lange Probezeiten und 12 Vorstellungen. Im Grunde richtet sich das Dorfleben in dieser Zeit nach dem Theaterplan oder wie hat man sich das vorzustellen?
Der Zeitplan der Freilichtbühne hat schon einen gewissen Einfluss auf andere Termine, das stimmt. Für Tage mit langen und großen Proben oder gar an Aufführungstagen wird es schon schwierig, noch andere Dinge durchzuführen. Denn es spielen viele Leute aus den verschiedensten Vereinen mit. Aber wir haben auch schon umgekehrt Rücksicht genommen und sogar ganze Wochenenden ausgesetzt, damit andere Veranstaltungen stattfinden können. Wie man das im Dorf halt so macht, nimmt man schon gegenseitig Rücksicht aufeinander. Wir sind ein ganz normaler Bestandteil der Ortsgemeinschaft. Nur eben ein sehr großer.
Zu den 12 Vorstellungen kamen 24 Tsd. Zuschauer und damit eine Auslastung von 80%. Der wirtschaftliche Aspekt spielt sicherlich auch bei Ihnen eine große Rolle. Wer entscheidet, welches Stück gespielt wird und wie sich die Besetzung (vom Regisseur bis zu Rollenverteilung) gestaltet?
Bei den Eigenproduktionen muss man unterscheiden zwischen den 'kleineren' Jahren, also in denen Märchen oder Familienstücke gespielt werden. Wie eben auch 2011 bei den Musketieren. Das wird zentral von der Geschäftsleitung entschieden und auch die Regie wird heute zentral bestimmt. Da geht es ja auch um Verträge und die hängen nicht nur von Geld und Sympathie ab, sondern es muss auch die Verlässlichkeit und die künstlerische Kompetenz beurteilt werden. Das kann kein basisdemokratischer Prozess sein.
Bei den traditionellen großen Freilichtspielen bekommt die Spielgemeinschaft Vorschläge gemacht, die inhaltlich vorgestellt und mit Ideen und Bildern gefüllt werden. Diese Vorschläge werden im Vorfeld sozusagen einem 'Tauglichkeits-TÜV' unterzogen: Passen Sie auf die Bühne? Passen sie in eine Reihe mit vorausgegangenen und Stücken, die noch kommen können? Bieten sie Potential für unsere Mitwirkenden, also Szenen für die Masse, für Reiterei usw.? Passen sie ins Bild des Freiheitskampfes? Und - nicht zuletzt - glauben wir, dass unsere Zuschauer das sehen wollen?
Wenn wir diese Fragen alle mit 'Ja' beantworten können, werden sie den Mitwirkenden vorgeschlagen, die dann abstimmen, was gespielt werden soll.
Was steckt alles hinter dem Begriff 'Eigenproduktionen'?
Eine Eigenproduktion ist ein Stück oder ein Musical, das wir selber organisieren und aus eigenen Mitteln finanzieren. In der Regel sind das die Aufführungen mit lokalen Laien. Es gab aber auch immer mal wieder Operetten- oder Musicalproduktionen, die eingekauft wurden. Das sind - genau wie die Konzerte im Herbst - Gastproduktionen. Wir vermieten in dem Fall die Bühne.
Die Eigenproduktion ist sozusagen unsere 'Hausmarke'.
Apropos - Eigenproduktion. In 2022 werden Sie in 'Schiller & der Bayerische Hiasl: Wir Räuber' den Dichterfürsten Schiller (Die Räuber) und den Wildererhauptmann Matthias Klostermayr, bekannt als 'Der Bayerische Hiasl' thematisch und szenisch zusammenbringen. Fast möchte man sagen, dass sich der Kreis schließt, wenn da nicht durch 'Schiller' eine spannende darstellerische und inhaltliche Note hinzugefügt worden wäre. Eine reizvolle und äußerst interessante Geschichte mit offenem Ausgang und natürlich wieder ein stattliches Aufgebot an Darstellern auf der Bühne. Als Autor konnte Volker Klüpfel verpflichtet werden. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Verbindung in diesem Stück und worauf kann sich der erwartungsfrohe Zuschauer freuen?
Klostermayr und Schiller lebten zur gleichen Zeit. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich persönlich kannten, aber doch recht sicher, dass sie von einander gehört haben. Der Legende nach war der Bayerische Hiasl die Vorlage für Schillers Karl Mohr, der in 'Die Räuber' Hauptmann einer Räuberbande war.
Wenn man sich die Geschichte der beiden und Entwicklung anschaut, entdeckt man wirklich viele Ähnlichkeiten. Auf der Suche nach einem Räuberstück sind in unserem 'Tauglichkeits-TÜV' natürlich sowohl 'Die Räuber' von Schiller als auch 'der Bayerische Hiasl' aufgetaucht. Jeweils für sich wollten wir aber beide Stücke aus verschiedenen Gründen nicht so gerne spielen.
Volker Klüpfel kam dann auf die Idee, die beiden Figuren zusammenzuführen. Und so treffen der junge Klostermayr und der junge Schiller aufeinander. Es wird die beiden eine Geschichte von gegenseitiger Faszination und Abscheu verbinden. Volker Klüpfel schafft es hervorragend, eine echte Räuber- und Wilderer-Geschichte zu erzählen, die einfach unfassbar gut auf unsere Freilichtbühne passt. Gleichzeitig beleuchtet sie aber auch den dünnen Grat zwischen berechtigtem Kampf um das eigene Recht einerseits und nackter, krimineller Gewalt andererseits.
Diesen Grad hat auch Schiller in einer unfassbaren Emotionalität zu behandeln versucht. Bei uns wird es allerdings etwas leichter sein, dem Geschehen zu folgen. Dazu kommt eine weitere Handlungsebene, in der Schiller-Fans auch ganz explizit auf ihre Kosten kommen werden. Denn es wird weitere Parallelen geben, die nur etwas für Kenner sind!
So ist für jeden etwas dabei. Und natürlich kann und wird auch der ganz eigene Volker-Klüpfel-Humor nicht fehlen. Ein Besuch bei uns wird sich ganz sicher lohnen. Wir freuen uns auf jeden Fall schon sehr auf ein ganz besonderes Freilichtspiel, das einerseits typisch und zugleich auch völlig ungewöhnlich sein wird.
Lieber Sebastian Heerwart,
wir danken für das Gespräch!
'Schiller und der Bayerische Hiasl. Wir Räuber!
Das große Altusrieder Freilichtspiel 2022
Seiler & Speer
Spider Murphy Gang
und
Münchener Freiheit
Kastelruther Spatzen aus Südtirol
Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten
Rock - The Opera
Mit Orchester
The BossHoss
'Black is beautiful'
Johannes Oerding
'Konturen'
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Reinhard Fendrich
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